Der nächste Tag war ein Montag. Skaisa und ich waren schon früh aufgestanden, und sie hatte mir beim Frühstück Tsuna sowie einige andere Personen vorgestellt. Tsuna wirkte so gar nicht, als ob er eines Tages der Boss einer berühmten Mafia-Famiglia werden würde. Er war zwar etwas schreckhaft und tollpatschig, aber dafür auch sehr freundlich. Aber manchmal konnte sich hinter einem harmlosen Erscheinungsbild auch ein kaltblütiger Killer verbergen. Jetzt lief Tsuna gerade zur Tür hinaus. „Ich bin weg!", verabschiedete er sich, und machte sich auf den Weg zur Schule. „Hab einen schönen Tag!", rief seine Mutter zurück. Ich bemerkte, wie Skaisa sie fragend ansah. „Wieso denn 'hab einen schönen Tag'? Wann kommt er denn wieder?" „Oh! Geht die Schule bei euch etwa nicht bis abends?", entgegnete sie überrascht. „Nein, hier etwa? Das wusste ich nicht." Kopfschüttelnd trat ich neben Skaisa. „Das sieht man doch in jedem Anime, dass in Japan die Schule bis abends geht. Und Schuluniformen sind an den meisten Schulen ebenfalls Pflicht." „Das mit den Uniformen wusste ich", meinte Skaisa, und fügte dann hinzu: „Nur dass die Schule bis abends geht ist mir bisher nie aufgefallen.." Tsunas Mutter lächelte uns noch einmal an, dann ging sie sie zurück in die Küche. Wir schwiegen eine Weile, dann durchbrach Skaisa schließlich die Stille: „Und was machen wir jetzt den ganzen Tag über?" Damit sprach sie genau das aus, was ich auch gerade dachte. „Ihr könntet doch auch in die Schule gehen, als Austauschschülerinnen." Ich zuckte zusammen. Bis jetzt hatte ich nicht bemerkt, dass Reborn neben uns stand. Oder besser gesagt, ich hätte schwören können, dass er einen Moment vorher noch gar nicht hier gewesen war. „Ciao-su! So könntet ihr euch die Zeit vertreiben, zumindest so lange, bis ihr einen Anhaltspunkt gefunden habt, wie ihr wie ihr wieder zurück in eure eigene Welt kommen könnt." Skaisa nickte. „Wenigstens hätten wir dann etwas zu tun, und wir lernen unser Umfeld hier besser kennen. Auch wenn ich ehrlich gesagt keine große Lust habe, in die Schule zu gehen." „Schule..? Ich weiß ja nicht. Es gibt viele bessere Dinge, die man stattdessen machen könnte, zum Beispiel neue Mangas kaufen, oder Mangas lesen... Andererseits könnte ich so den ganzen Tag in der Nähe von Gokudera und den anderen verbringen..." Warte mal! Hatte ich das gerade etwa laut gesagt? „Und natürlich würde ich gerne selbst mal den japanischen Schulalltag kennen lernen", fügte ich schnell hinzu. „Gut", meinte Reborn, und öffnete die Haustür. „Dann lasst uns gehen. Eure neuen Lehrer wissen schon Bescheid." Hätte mich das wundern sollen? Woher hätte Reborn schließlich wissen können, dass wir wirklich einwilligen würden? Aber inzwischen hatte ich wohl schon so viel erlebt und erfahren, dass mich so etwas nicht mehr überraschte. „Was? Jetzt? Heute schon?", sagte Skaisa überrascht. „Ja! Und jetzt trödelt nicht so! Wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen!", rief Reborn, der bereits auf der Straße stand. Wir bemühten uns, möglichst schnell unsere Schuhe anzuziehen, und ihm zu folgen. Meine Schuhe waren ziemlich kaputt, genau wie auch meine restlichen Klamotten den Kampf nicht unbeschadet überstanden hatten. Nur die Schleife, mit der ich einige Strähnen meines Ponys an der Seite festhielt, sah noch einigermaßen in Ordnung aus. „Wir sind weg!" rief Skaisa Tsunas Mutter als Information noch zu, und riss mich so wieder aus meinen Gedanken heraus. Die Antwort überraschte mich nicht. „Habt einen schönen Tag!"
Kurz, nachdem es geklingelt hatte, kamen wir an der Schule an. „Sehen in Japan eigentlich alle Schulen gleich aus?", wunderte ich mich, als ich das Schulgebäude betrachtete. „So was darf man doch nicht laut sagen!", entgegnete Skaisa tadelnd. „Aber wo du Recht hast...", meinte sie dann leiser. Plötzlich kam ein schwarzhaariger Junge auf uns zu. „Was fällt euch ein? Ich werde nicht zulassen, dass ihr meine Schule mit den anderen, gewöhnlichen Schulen vergleicht! Die Namimori-Mittelschule ist einzigartig!", meinte er drohend mit dunkler Stimme. Erst jetzt fiel mir auf, dass er mit zwei Tonfas bewaffnet war, Schlagstock ähnlichen Metallstäben. Er trug wohl die Schuluniform der Namimori, und dazu eine Arm binde, auf der in japanischen Schriftzeichen „Disziplin-Komitee" stand. Während ich mich noch freute, dass ich anscheinend plötzlich nicht nur japanisch sprechen, sondern auch lesen konnte, wodurch ich nicht mehr warten musste, bis die Mangas und meine Lieblingsanimes endlich auch in Deutschland erschienen, bemerkte ich, wie der Junge einen schnellen Schritt auf Skaisa zu machte, die näher an ihm stand als ich. „Kamikorosu!" 'Ich werde euch zu Tode beißen'? Hatte ich das gerade richtig verstanden? Er versetzte Skaisa mit seiner Tonfa einen Schlag ins Gesicht, sodass sie zu Boden fiel. Halb wütend, halb entsetzt starrte sie ihn an. „E-es tut uns leid!", stotterte sie dann beschwichtigend. Artig verbeugte auch ich mich vor dem Jungen. „Entschuldige bitte!" „Da ihr wohl neu an der Namimori seid, belasse ich es bei einer Verwarnung. Aber wehe, ihr beschimpft, beschmutzt oder legt Hand an meine Schule!" Er wandte sich von uns ab. „Schwächlinge" hörte ich ihn murmeln, und beobachtete, wie sich ein kleiner, gelber, und meiner Meinung nach sehr niedlicher Vogel zwitschernd auf seiner Schulter niederließ, und der Junge schließlich um die nächste Ecke verschwand. „Der Junge, den ihr soeben kennen gelernt habt,heißt Hibari Kyoya. Er ist ebenfalls ein Mitglied der Vongola-Famiglia. Allerdings mag er Menschen nicht besonders und ist etwas launisch." Reborns Worte klangen merkwürdig vergnügt. „Etwas launisch?! Er wolte mich verprügeln, weil wir etwas Schlechtes über seine Schule gesagt haben! Und danke übrigens für eure tolle Hilfe! Man, dass fängt ja richtig gut an hier!" Skaisa war wütend. So richtig wütend. So wie ich sie kannte, würde sie sich aber schnell wieder beruhigt haben. Ich reichte ihr meine Hand und half ihr auf. „ich glaube, wir sollten der Krankenstation gleich noch einen kurzen Besuch abstatten", murmelte ich, während ich Skaisas gerötete Wange genauer ansah. „Ach, ist schon gut. So schlimm ist die Verletzung nicht. Nur dieser Typ regt mich auf!Und jetzt lass uns besser rein gehen, manche Schüler beobachten uns schon von ihren Klassenräumen aus."
Reborn führte und zum Lehrerzimmer, und klopfte dort für uns an. Wir wurden wohl bereits erwartet, denn sofort wurde die Tür von einem Lehrer aufgerissen, der uns erst einmal einige Sekunden lang verwundert anstarrte, bevor er dann freundlich lächelte. „Ihr müsst die neuen Austauschschüler sein, richtig? Salia Eslin.." Ich nickte, als ich meinen Namen hörte. Der Lehrer blickte zu Skaisa. „... und Ceiyate Skaisa." Sie nickte ebenfalls. „Und woher kommt ihr?", fragte er neugierig. „Und was ist mit euch passiert, dass ihr so mitgenommen ausseht?", fügte er dann besorgt hinzu, während er uns musterte. Skaisa reagierte schneller als ich, und somit antwortete sie für uns beide. „Wie kommen aus Deutschland. Und auf dem Weg ins Lehrerzimmer haben wie gerade Hibari Kyoya kennen gelernt." „Okay, dann kann ich das verstehen. Aus Deutschland also? Interessant. Ich bringe euch erst einmal zum Umkleideraum, damit ihr eure neuen Schuluniformen anziehen könnt." Und woher wusste er unsere Kleidergrößen?, wunderte ich mich. Wie ein kurzer Blick zu Skaisa verriet, schien sie gerade in etwa das gleiche zu denken. „Tut mir leid, Mädchen", meldete sich Reborn zu Wort. „Ich musste eure Größen schätzen. Ich hoffe, die Sachen passen euch, und sind nicht zu groß oder zu klein."
Auch die Schuluniform der Namimori hob sich nicht gerade vom Durchschnitt ab. Sie bestand aus einem Hemd mit langen Ärmeln und Kragen, einer roten Fliege, und einem dunklen, kurzen Rock. Dazu bekamen wir noch eine Art dunkelblauen Pullunder, doch den zog ich nicht an. Ich mochte die Uniform ohne Pullunder lieber, ich fand sie sah so besser aus, und war im übrigen auch viel bequemer. Leider war der Umkleideraum nur knapp groß genug, dass man sich darin zu zweit umziehen konnte, wenn man sich dabei nicht gegenseitig in die Quere kommen wollte. Doch normalerweise war ein größerer Umkleideraum auch nicht nötig, eigentlich zogen sich die Schüler ja zu Hause um. „Also, den Rock zieh ich auf keinen Fall ohne Leggings darunter an!", beschwerte sich Skaisa. „Der ist doch viel zu kurz!" „Also ich freue mich, endlich mal eine richtige japanische Schuluniform anzuziehen", meinte ich lächelnd. „Auch wenn es andere Schuluniformen gbt, die ich lieber anprobiert hätte." Eine Weile hörte ich Skaisa leise darüber überlegen, ob sie die Lehrer nicht irgendwie davon überzeugen konnte, ihr die Uniform für die Jungs zu geben, weil sie sich darin vermutlich wohler fühlen würde. „Dir steht die Uniform richtig gut! Im Gegensatz zu mir!", sagte sie dann lauter an mich gewandt. „Meine ist zu groß!" „Ich finde, du siehst richtig süß aus in den zu großen Sachen." Ich lächelte. Skaisa wurde rot, und blickte verlegen Richtung Boden. Sie war fast noch einen halben Kopf kleiner als ich, und wirkte deshalb manchmal auch jünger als sie eigentlich war. Plötzlich klopfte es an der Tür. „Seid ihr fertig? Wenn ja, bringt eure Sachen mit raus, ich zeige euch eure Schließfächer", hörte ich die Stimme des Lehrers. Als wir wieder hinaus in den Flur traten, musterte der Lehrer uns erst einmal. „Anscheinend ist deine Uniform wohl doch etwas zu groß, Ceiyate-san. Ich werde sie dir bis morgen nochmal eine Nummer kleiner besorgen, ja?"