Als es wieder zum Unterricht klingelte, begaben wir uns alle wieder in unseren Klassenraum. Der Nachmittagsunterricht verlief so in etwa wie der Vormittagsunterricht. Nur, dass ich mich mit Tsuna zusammen tat, die Aufgaben zu lösen und ihm viele Sachen erfolgreich erklären konnte, während Eslin, nun aber etwas leiser und unauffälliger, weiter mit Gokudera konkurrierte und Yamamoto die Stunden erfolgreich verschlief. Nachdem dann am Tag das letzte Klingeln, zum Schulschluss, ertönte, liefen wir alle zu unseren Schließfächern in der Eingangshalle. Ich nahm meine Klamotten, bzw. das, was von ihnen noch übrig war und meine kaputten Schuhe aus dem Spint und klemmte sie mir unter den Arm. Ich ließ die Schulschuhe einfach an und ging zu Eslin, die ebenfalls ihre Sachen in der Hand hielt. Ich betrachtete ihre ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Klamotten. "So wie ich das sehe, müssen wir wohl die ganze Zeit in der Schuluniform rumlaufen... Schließlich sind unsere anderen Sachen ja kaputt..." "Ja, sieht so aus.", stimmte mir Eslin zu. "Verdammt! Dann muss ich die ganze Zeit in diesem Rock rumlaufen? Och nö...", stöhnte ich, als ich mir die Tatsache erneut vor Augen führte. "Ach, das wirst du schon überleben, Skaisa.", versuchte Eslin mich aufzumuntern. "Du musst nur aufpassen, wie du dich hinsetzt... Sonst... Naja, du weißt schon.", flüsterte sie mir dann noch zu. Ja toll. Und genau deswegen mochte ich Hosen lieber. Ich seufzte erneut und folgte Eslin zu Tsuna, der ebenfalls noch an seinem Spint stand. Nach einem kurzen Gespräch verließen wir gemeinsam mit Tsuna, Gokudera, Yamamoto und Kyoko das Schulgebäude. "Wo ist denn Ryohei?", fragte ich Kyoko, da er der einzige war, der nicht dabei war. "Ach, der ist noch beim Boxtraining.", lächelte sie mich an. So spät noch Boxtraining? Ryohei war echt ein totaler Fanatiker! Eslin fiel etwas anderes auf: "Habt ihr eigentlich alle den selben Schulweg? Oder warum lauft ihr alle mit?" "Naja, wir müssen in etwa in dieselbe Richtung. Also begleiten wir Tsuna noch meistens.", antwortete Yamamoto. Misstrauisch schaute Eslin Gokudera an, der sie ebenfalls so misstrauisch musterte. "Und du?", fragte sie unfreundlich. "Ich begleite Juudaime immer bis nach Hause, schließlich ist das mein Job als seine rechte Hand. Und schließlich könnte ja sonst was passieren.", antwortete er ebenso unfreundlich. "Kyokooo! Tsuna-san! Ich bin so happy euch zu treffen!" Ein Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren, kam auf uns zu. Sie trug eine andere Uniform als wir. "Ah! Haru! Hallo!", freute sich Kyoko. "Ha hi? Wer ist denn das?", fragte das Mädchen, als es fast bei uns angekommen war und sah Eslin und mich verblüfft an. Genauso verblüfft schauten wir zurück. Kyoko kicherte und stellte uns ihr vor. "Das sind Eslin und Skaisa. Sie sind neu in unserer Klasse und Freunde von Tsuna-kun." "Ha hi! Freunde von Tsuna-san? Hallo. Ich bin Haru. Haru ist happy euch zu treffen.", meinte sie aufgedreht und verbeugte sich leicht vor uns. Oh Gott, war die aufgedreht! Schon fast so schlimm wie Eslin. Und was sollten die englischen Begriffe und dieses Ha hi? Von Eslin hatte ich mal erfahren, dass manche japanischen Mädchen von sich selbst in der dritten Person sprechen, um niedlicher zu wirken... Wieso hatte ich mir das gemerkt? Eslin färbte ab! Als ich mir noch Sorgen darüber machte, dass ich vielleicht auch noch so extrem wie Eslin werden würde, fragte Haru Kyoko etwas. "Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit Haru shoppen gehst. Also, hast du Lust? Wir können ja Eslin-san und Skaisa-san inviten mitzukommen!" Kyoko nickte glücklich. "Das ist eine gute Idee.", ertönte eine Stimme. Suchend schaute ich mich nach dem Sprecher um. Und dann sah ich Reborn auf der Mauer neben uns. Tsuna und ich erschraken uns als einzige. Wie kam er hier her? Und warum störte das die anderen garnicht?! "Yo, Baby!" "Reborn-san!" "Reborn-kun!" "Reborn!", wurde er stattdessen von ihnen freundlich begrüßt. "Die Beiden sollten sich mal mit den Mädchen amüsieren gehen. Nach diesen vielen neuen Erfahrungen sollten sie auch mal unter ihres gleichen entspannen. Außerdem brauchen Eslin und Skaisa neue Klamotten.", fuhr er fort. Ich sah ihn verwirrt an. "Und wie sollen wir uns Klamotten kaufen? Wir haben doch gar kein Geld!", gab ich zu bedenken. "Och, macht euch darum keine Sorge. Hier ist ein bisschen Geld.", zerstreute er meine Bedenken und drückte mir eine braune Papiertüte in die Hand. "Ein Geschenk vom Kyuudaime, also dem Neunten. Er bat mich darum euch so gut wie es geht zu unterstützen, nachdem ich ihm von euch berichtet habe und er erfahren hat, dass ihr etwas mit einer alten Freundin von Primo zutun habt." Dabei öffnete ich die Tüte und lugte hinein. Meine Augen weiteten sich und mir blieb fast das Herz stehen, als ich die vielen Bündel von Yen Noten mit sehr, sehr vielen Nullen sah. Meine Knie gaben etwas nach."A-aber das können wir doch nicht annehmen!", versuchte ich es abzulehnen. Eslin schaute mir über die Schulter und in die Tüte hinein. Ihre Augen weiteten sich Handtellergroß. "A-aber Skaisa, das ist ein Geschenk des Neunten! Geschenke abzulehnen ist doch unhöflich! Also nimm es an, und lass uns shoppen gehen!", versuchte Eslin mich euphorisch umzustimmen. Ich sah fragend Reborn an. Dieser nickte und sagte: "Ja, nimm es ruhig an. Kein Problem. Und viel Spaß beim Einkaufen!" und schon war er wieder weg. Bevor ich mich wieder um entscheiden konnte, hatten Haru und Kyoko sich bei uns untergehakt und zogen uns mit sich. Yamamoto winkte uns zum Abschied und Tsuna rief uns ein "Bis Nachher!" zu. Auf dem Weg zur Einkaufsmeile dachte ich darüber nach, ob das wohl legales oder illegales Geld war, dass wir von Reborn bekommen hatten. Schließlich war das eine Mafia! Und ich bekam langsam ein schlechtes Gewissen. Wenn es Falschgeld war, machten wir uns damit gerade strafbar. Aber wenn es echtes Geld war, kosteten wir der Vongola Millionen von Yen! Und das war genau so schlimm. Eslin schien meine Gedanken zu lesen, denn sie beugte sich zu mir uns flüsterte mir zu: "Keine Sorge. Die sind 'ne Mafia. Die haben so viel Geld. Die können sowas." Damit war mein schlechtes Gewissen zwar nicht behoben, doch erst einmal beiseitegeschoben. Als wir schließlich in der Einkaufsmeile ankamen, klappten Eslin und mir erst einmal die Kinnlade runter. Ich hatte nie gedacht, dass so eine Stadt wie Namimori so viele Geschäfte hätte. Und erst recht nicht solche Geschäfte! Buchhandlungen, eine eigene Buchhandlung für Mangas, ein Cosplayladen, sogar ein Butler- und ein Maidcafé, Elektronikgeschäfte, alle möglichen europäischen Klamottengeschäfte, asiatische Kleiderboutiquen, Schuhgeschäfte bis zum Abwinken, und wirklich jeder Kleidungsstil musste vertreten sein. Und Japaner hatten wirklich teilweise sehr seltsame Kleidungsstile! Eslins Augen fingen an zu glänzen. Sofort zog sie an meinem Arm. "Los Skaisa, bitte lass uns mal in den Mangaladen und das Butlercafé gehen! Bitte! Ich möchte da so gerne mal rein!!", zerrte sie mich fast in diese Richtung. "Nein, Eslin! Lass uns erst einmal Klamotten einkaufen gehen. Danach können wir von mir aus auch da rein gehen. Aber zuerst das Wichtigste!", versuchte ich sie von mir los zu machen. Kyoko und Haru beobachten uns irritiert. Eslin gab sich geschlagen und ließ den Kopf leicht hängen. "Okay... Aber danach gehen wir da rein!! Versprich es!" "Jaja! Ich versprech es ja!", seufzte ich. Kyoko und Haru fingen an zu lachen und zeigten auf einen Laden in der nächsten Straße. "Dort gehen wir immer shoppen. Kommt mit. Vielleicht gefällt euch da was." Taten die Beiden nur so, oder waren sie wirklich so naiv und Oberflächlich? Naja. Egal. Das Geschäft war wirklich riesig. Ich hatte nie gedacht, dass in einem Gebäude so viele verschiedene Kleidungsarten und -stücke zu finden sein könnten. Kyoko und Haru schien unsere Reaktion zu belustigen. "Hihihi. Was braucht ihr denn so?", fragte uns Kyoko. "Eigentlich Alles...", antwortete ich unbedacht. "Ha hi?" Alles?", wunderte sich Haru. "Äh... Ähm... W-wir sind Bekannte von Tsuna... und wollten ihn besuchen... Doch irgendwie... sind unsere Koffer beim Flug verloren gegangen, wo Alles drin war... Und deshalb... brauchen wir jetzt noch mal Alles neu...", versuchte ich zu erklären. "Oh... Das tut uns leid für euch. Na gut, dann fangen wir am besten bei der Unterwäsche an!..." Und schon liefen sie in eine Richtung. Puh... Beinahe wären wir ertappt gewesen. Wir konnten Kyoko und Haru ja schließlich schlecht sagen, dass wir aus einer anderen Welt kamen und dass dieser gesamte Trip eigentlich überhaupt nicht geplant gewesen war. Also tappten wir den Beiden blind hinterher. Nachdem wir uns endlich durch die Unterwäscheabteilung gekämpft hatten, kamen wir zu den Hosen und Röcken. Eslin stürzte sich als erstes auf die Röcke und suchte sich erst mal zwei Rüschenröcke heraus und sprang in die Luft vor Freude. "Endlich mal ein Geschäft mit meinem Kleidungsstil!", jubelte sie und verschwand zwischen den Rüschen und Schleifen. Ich lächelte nur und widmete mich den Hosen. Später schaute ich jedoch trotzdem bei den Röcken vorbei und suchte mir tatsächlich einen knöchellangen Rock heraus. Eslin sah mich erstaunt an. "Wow Skaisa, dass du dir mal einen Rock kaufst... Sowas kommt echt selten vor! Naja, okay, er ist aber auch knöchellang..." Ich musste lachen und suchte mir darauf noch gleich eine Leggings, die ich auch unter den Schuluniformrock anziehen konnte. Danach gingen wir zu den Oberteilen. Da uns dort allerdings nichts wirklich gefiel, bezahlten wir und wechselten das Geschäft. Auf der Straße wimmelte es nur so von Leuten, die ihre Einkäufe tätigten. Im nächsten Geschäft wurden wir nun auch bei den Shirts, Pullovern und Tops fündig. Eslin besorgte sich gleich auch noch Haarschleifen in allen möglichen Farben und ich kaufte mir ein paar Jacken, zum Drüber ziehen. Danach wechselten wir in ein Schuhgeschäft. Zwischen den Menschenmassen fiel mir eine Gestalt auf, bei der ich hätte schwören können, sie vorhin schon einmal gesehen zu haben. Denn diese Größe in Verbindung mit dieser Sonnenbrille und dem vermummten Gesicht, konnte man einfach nicht verwechseln. Folgte er uns etwa? Nein. Das konnte nicht sein. Deshalb versuchte ich ihn zu ignorieren, und Eslin bei der Auswahl ihrer Schuhe zu helfen und zu beraten. Es dämmerte schon, als wir endlich mit dem Einkauf fertig waren und Eslin mich von der Seite an stupste. "Du hast versprochen, dass wir noch in den Mangaladen gehen. Nun halt dein Versprechen auch!" "Ja, hast ja recht.", bestätigte ich und wandte mich an Kyoko und Haru. "Ihr müsst nicht mitkommen. Schließlich ist es schon spät. Und so wie ich Eslin kenne, wird das etwas länger dauern... Ihr könnt ruhig auch schon nach Hause gehen. Und danke nochmal, dass ihr uns geholfen habt." Kyoko und Haru sahen sich an und darauf wieder mich. "Aber wie sollt ihr denn wieder zu Tsuna-kuns Haus finden?", fragte uns Kyoko. "Mh... Wie wär's, wenn du mir einfach seine Adresse aufschreibst? Wir finden das schon. ... Zur Not fragen wir eben Passanten nach dem Weg.", schlug ich vor. Die Beiden waren zwar nicht ganz überzeugt, stimmten aber zu, schrieben uns seine Adresse auf, drückten uns unsere Tüten in die Hand, die sie uns abgenommen hatten, verabschiedeten sich und verschwanden dann. Eslin und ich teilten uns die Tüten auf, sodass jeder etwa gleich viele tragen musste. "So, wo war jetzt nochmal der Mangaladen gewesen?", dachte ich laut. "Keine Ahnung. Wir sind öfter in andere Straßen abgebogen... Und du weißt, ich habe einen miesen Orientierungssinn!", zuckte Eslin mit den Schultern. Ich schaute mich um. Da stach mir wieder diese Person ins Auge. Verfolgte er uns etwa doch?! So langsam wurde mir mulmig zu mute. Hatte er etwa Verdacht geschöpft, dass wir viel Geld hätten, weil wir uns so viel kaufen konnten? Oder war er etwa ein verrückter Stalker?! Ich nahm alle Tüten in die andere Hand, und griff mit meiner freien nach Eslins Hand und zog sie in die nächst beste Straße, möglichst weit weg von der Gestalt. "Was ist denn los, Skaisa?", fragte sie mich verwirrt. "Ich glaube, es ging hier lang.", log ich und blickte zurück zur Kreuzung. Als diese Gestalt nun auch in unsere Straße einbog, bestätigte sich mein Verdacht: Wir wurden tatsächlich verfolgt! Ich verstärkte meinen Griff um Eslins Handgelenk und beschleunigte meinen Schritt. Eslin schien unseren Verfolger auch bemerkt zu haben, denn sie stellte keine Fragen mehr, und hielt mit mir Schritt. Immer öfter bog ich in irgendwelche Straßen ab, um zu versuchen ihn abzuschütteln. Doch wir wurden ihn nicht los. Ich wurde immer panischer, als die Sonne immer tiefer am Himmel stand und zwischen den hohen Gebäuden verschwand. Dunkelheit senkte sich langsam über Namimori herab und wir hetzten mit den Tüten durch die Gassen und Sträßchen um unseren Verfolger endlich loszuwerden. Doch vergebens. Bevor ich realisierte, dass wir uns zu sehr von den belebten Straßen wegbewegt und uns total in den dunklen, kleinen, verwinkelten Gassen verlaufen hatten, waren wir schon in unserer Hast in eine Sackgasse gelaufen. Erschrocken starrte ich die Wand vor uns an. Scheiße!, schoss es mir durch den Kopf. Ängstlich drehte ich mich in der Dunkelheit zum Ausgang der Gasse um. Dort trat uns diese Gestalt entgegen und versperrte uns so den Fluchtweg. Was wollte diese Gestalt nur von uns? Was sollten wir tun? Was, wenn er noch Komplizen hatte? Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich konnte es vor Anspannung und Stille hämmern hören, als die Gestalt Schritt für Schritt näher kam. Wir waren gefangen! Und das so weit weg von der Öffentlichkeit! Hier würde uns mit Sicherheit niemand zur Hilfe kommen. Wir waren wie zwei kleine Mäuse in die Falle gelaufen!